KAREL VYSUŠIL
Maler und grafiker
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Geboren am 14. November 1926 in Trmice/Türmitz, Böhmen. Studierte 1945-47 an der Akademie der bildenden Künste in Prag. Mitglied der Künstlergruppe Hollar. Ein Maler und Grafiker, der sich intensiv der Grafik widmet und in ihr einige malerische Probleme der Farbe, der Struktur, des Lichts, der Bewegung löst. Seine grafischen Blätter sind eigentlich grafische Bilder, sie tragen die markante Handschrift des Autors zur Schau, tendieren zu großer Form und Ausdruck, spiegeln das dynamische Temperament des Künstlers wider. Seine farbige Aktionsgrafik führte zu reicher Durchgliederung der Form, aus der in letzter Zeit eine Phantasiefiguration wächst.
Selbständige Ausstellungen:
1959 Galerie Hollar, Prag; Wien; Klagenfurt;
1962 Galerie Hollar, Prag;
1964 Museum Prostejov/Prosnitz; S. K. Neumann-Theater, Prag;
1966 Galerie D, Prag;
1968 Galerie DUo, Ústí n. L/ Aussig; Galerie Svoboda, Prag;
1969 Galerie Jean, München.
Beteiligung an KoIlektivausstellungen tschechoslowakischer Kunst:
Prag, Brno/Brünn, Ostrava/ Ostrau, Pfsek, Rychnov/ Reichenau, London, Sofia, München, Warschau, Montevideo, Bern, Wien, Wellington, Frankfurt, Tokio, Gjöwig, Hanoi, Hamburg, New York, Essen, Amsterdam, Worpswede, Seattle, KOblenz, Quebec, Kiel, Montreal, Oslo, Neapel, Reggio Emilia, Bologna. Saarbrücken.
Beteiligung an internationalen Ausstellungen:
1962 The 30. Exhibition of Japan Print;
1963V. Exposition Internationale de Gravure, Ljubljana;
1968 Sonderschau, München; Exposition de Gravure, Krakau;
1969 Exposition de Gravure, Florenz; Internationale Grafik und Illustration Frechen e. V.
Preise:
1962 The 30. Exhibition of Japan Print, Tokio/Ehrenpreis;
1968 50 Jahre Hollar, Prag/ Ehrenpreis
Vertretung in Sammlungen:
Nationalgalerie Prag und weitere tschechoslowakische Galerien; Kunsthaus Hamburg, Kunsthalle Bielefeld; Folkwang Museum Essen; in Privatsammlungen der Bundesrepublik Deutschland, in Dänemark, Japan, in der Schweiz, in Frankreich, USA, Kanada, Italien, Mexiko, Schweden.
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KAREL VYSUŠIL Symbole als Zeichen der Zeit

Die Geschichte der modernen Collage ist in allen den vielfältigen ästhetischen undanti-ästhetischen Formen dieser Kunstgattung zu finden. Der stufenlose Übergang der Collagevon der idealen Auffassung der Schönheit in die Negation des schönen Ideals - undumgekehrt, ist zweifelsohne einer der Wesenszüge der modernen Kunst. Zu den weiterenCharakteristiken gehört unumstritten auch das Entdecken einer neuen Alltäglichkeit der Dingein der Folklore der Stadt, oft nur in marginalen Abrissen, im Torso. Das Format der Collagewird relativisiert,. In der Harmonisierung und Disharmonisierung ihrer Komponenten, ihrerElemente liegt - unserer Ansicht nach - das kardinale Problem der Collage, weil jede Collagedie Zusammenfassung mehrerer Elemente, Materialschichten, Massen, Zeichnungen, kurz eineEinheit darstellt, die aus der Verbindung unterschiedlicher bildnerischer Mittel besteht. StarkenNiederschlag findet in der Collage der Geschmack. Immer dann, wenn wir die Collagen destschechischen Künstlers Karel Vysusil, der zu den sensitiven, kreativen Persönlichkeiten mitgroßem dramatischem Talent gehört, studieren, denken wir über diese Allgemeinproblemenach. Es scheint ihm gelungen zu sein, ein Werk zu schaffen, daß den Fresken nahe steht, diein monumentaler Form Menschheitsschicksale darstellen. Die Dimension des Monumentalen istzweifellos in jedem grafischen Werk Vysusil verborgen, ist besonders den Collagen inne. Damithängt die Plastizität des Ausdrucks zusammen. Wir verstehen es als eine Dimension desdramatischen Elements, der aufgerührten Gefühle: gerade dieses Erfühlen der Elemente undEmotionen scheint dem Werke des Autors nahe zu sein, da die wogenden Formen und Farbensich schon auf den ersten Blick als Oberfläche eines Naturelementes darstellen. Vysusil kenntdie Ruhe und Idylle der geschmackvollen Kunst nicht, die sorfgältig die einzelnen Elemente zurCollage zusammenfügt. Vysusil ist ein Künstler, der nicht nur die expressive Explosionskraftdes modernen Ausdrucks kennt, sondern auch inden Farben den sinn für natürlichesGleichgewicht beibehält, der das Schreiende und Dekorative der Collage auf ein Mindestmaßeinzuschränken versteht. Die Tiefen und Weiten der Seele treten dagegen hervor, es tauchenganze unendliche Seelenlandschaften auf - es ist als ob eine in die andere übergehen würden.Er glaubt an eine höhere Wirklichkeit, sucht Welten des Wunderbaren und der Exotik, womit erin seine Kunst die Werte des Surrealismus übernimmt. Die Allgewalt des Traumes ist es, die inder Collage seine Bestrebungen vereint. Es ist ein wilder Traum, und es ist deshalb nichverwunderlich, daß wir somanches Mal die Werke von Vysusil zur "Wilden Kunst" gezählthaben. ALJch für Erotik gibt es pier genügend Raum, für die psychologische Destruktion, fürdas Entfliehen des Autors aus der Wirklichkeit und der Pseudo-Wirklichkeit. Beides hängt beiVysusil zusammen. Dadurch, daß er in seiner Collage einen kritischen Spiegel vorhält, daß ersarkastisch, oder leiseliebenswürdig lacht, ist in einem bestimmten Sinne das Negieren allerVerstellung, alles des Falschen im äußeren Schein der Pseudo-Wirklichkeit, derQuasi-Feststellung. Vysusils Kunst repräsentiert jedoch Kunst, vermittelt durch Symbole, istnicht Ausdruck einer empirischen Emotionalität, auch nicht der Unmittelbarkeit der Sinne. Wennwir das Wesen von Vysusils künstlerischem Denken erfassen wollen, sprechen wir von globalenSymbolen, die große Probleme Ausdrücken, große Ideen, große Gefühle der Menschheit undausgehen dabei von der privaten Auffassung eines ästhetischen Erlebnisses. Diese Spannungist interessant und reizt. Villeicht können wir an die Worte der amerikanischen TheoretikerinSusanne Langer, die über das Transponieren menschlicher Gefühle in symbolische Formationenspricht, erinnern. Aber es fält uns eine genauere Charakterisierung ein: Carnap betrachtetKunst nicht als Symbol, sondern als "Symptom". Dieser feine Unterschied scheint uns präziserzu sein, wenn wir das Werk von Vysusil bewerten. Seine Figuren sind, z. B. bestimmte Zeichender Zeit, so sind Bilder aus der Geschichte der Psychologie der Menschenmenge. DieMenschenmenge ist eine sehr ausgeprägte gesellschaftliche Erscheinung der modernenGeschichte. Vysusil ist es gelungen, den Schein der Bewegung im Verhalten, in der Psychologie,in den Charaktern, bildnerisch darzustellen. Er kennt kein statisches Motiv, er verfällt auchnicht in Situationsthemen. Seine Figuren demonstrieren die Zeichen der Zeit, unserer so schnellfließenden Zeit voll innerer Widerprüche, voller Konflikte. Und gerade diese Zwiespältigkeitbetrachten wir als weiteren Wesenszug von Vysusils Kunst. Er spitzt den Konflikt der in derCollage angewandten Mittel zu: der reliefmäßige Aufbau des Bildes, die traumhafte Kürzungder Form, die Farbengestaltung, die, wie wir schon gesagt haben, die natürliche Harmonieverspüren läßt. Er versteht es, aus der gegenwärtigen Zeit empor zu tauchen zumUberzeitlichen. Er versteht es sogar, die Widersprüchigkeiten von Begriffen auszudrücken undsie in der bildnerischen Kunst in die Sprache des Bildes zu transponieren. Hier spielt dieFähigkeit zur Abstraktion eine Rolle. In der Collage ist dies von außerordentlicher Bedeutung,weil das Material oft den Autor zur Bewunderung der Wirklichkeit, besonders der rohenWirklichkeit, hinreißt. Weltweit wird dies heute in der Kunst durch Vieles in Collagen mit Papierbezeugt, auch in der Pop-Art und der neuen "Figuration" haben wir es gesehen. Vysusil isteher der große Mime der stillen Sprache der Gesten in der Collage von heute, weil er begriffenhat, was die Stille in dieser Welt der zur Collage zusammengefügten Formen bedeutet.


Dr. Miroslav KLlVAR Prag 1990